"Englisch gilt als Erweiterung der Muttersprache"
Interview: Saskia Eversloh
Welche Sprachen sind heute im Job gefragt? Entscheidend sind nicht die absoluten Zahlen, sondern langfristige Arbeitsmarktentwicklungen, die eigene Positionierung – und nicht zuletzt der Spaß an der Sprache. Das meint jedenfalls Dr. Klaus Waschik, Leiter des Landesspracheninstituts in der Ruhr-Universität Bochum (LSI). Dort werden Berufstätige in wenigen Wochen fit für ihre Auslandseinsätze gemacht.
Das Landesspracheninstitut startete in den 70ern mit Russisch, heute bieten Sie fast ein Dutzend Sprachen on- und offline an. Wer kommt hauptsächlich zu Ihnen?
Neben Studierenden, die ihre literatur- und sprachwissenschaftlichen Studiengänge durch aktive Sprachpraxis ergänzen wollen, kommen vor allem zwei Gruppen von Berufstätigen: Wirtschaftsvertreter und Ingenieure des gehobenen Managements, die sich bei uns insbesondere auf ihre Einsätze in China, Russland, Japan oder im arabischen Raum vorbereiten – und Personen, die im öffentlichen oder auch diplomatischen Dienst tätig sind. Außerdem sehr viele Journalisten, wir haben hier die meisten ARD- und ZDF-Auslandskorrespondenten ausgebildet.
Inwiefern ist das LSI für das gehobene Management besonders interessant?
Unsere speziellen Intensivkursformate – etwa für Japanisch oder Chinesisch – kommen dem engen Zeitfenster von Managern sehr entgegen, denn in der Regel lässt sich der kontinuierliche Besuch von wöchentlichen Kursen im beruflichen Alltag nicht durchhalten. Außerdem gehen die meisten Kurse in ihren praktischen Lehrsituationen besonders auf Geschäftsthematiken ein. Das LSI bietet zudem Blended-Learning-Formate (Präsenz und Online) an, etwa für Wirtschaftsrussisch. Weitere Möglichkeiten sind Inhouse-Veranstaltungen für Unternehmen oder auch individuelle Sprach-Coachings via Skype, die berufsintegriert und zeitlich flexibel durchgeführt werden können.
Was sind die Arbeitssprachen der Zukunft in Konzernen und KMU?
Sicher für die nähere Zukunft Englisch. Die Frage ist aber, von welchen Konzernen und KMU wir sprechen? Wenn diese einem chinesischen oder koreanischen Unternehmer gehören, vor allem im Bereich des Mittestands, können dies auch andere Sprachen sein. Außerdem können wir nur sehr unzureichend abschätzen, wie sich hier die asiatischen Wirtschaften entwickeln werden. China wird allein wegen seiner Größe und seines Potenzials und der schieren Anzahl der Sprecher den Status des Chinesischen in der Welt zukünftig verändern. Ansätze davon sind bereits in Unternehmen mit starker chinesischer Beteiligung zu spüren.
Welche Sprachen empfehlen Sie jungen Leuten denn heute zu lernen?
Entscheidend sind nicht die absoluten Zahlen, sondern Angebot und Nachfrage. Man sollte sich dafür folgende Frage beantworten: Welche Sprachen sind perspektivisch für mich karrierefördernd in meinem Berufsfeld? Wie positioniere ich mich, bin ich der Einzige oder kann jeder Dritte diese Sprache? Und: Zu welchen Ländern und Kulturen habe ich eine gewisse Affinität? Mit dem Beruf ist ja schon eine gewisse Vorentscheidung gefallen, welche Sprachen infrage kommen könnten. Dabei sollte man auf keinen Fall auf kurzfristige Trends setzen, sondern sich an mittel- und langfristigen Entwicklungen orientieren. Nicht zuletzt ist das persönliche Interesse eine gewisse Garantie, sprachlich mehr als andere erreichen zu können.
Braucht man denn überhaupt noch andere Fremdsprachen, wenn sich alle Welt auf Englisch verständigt?
Das Englische ist heute keine Fremdsprache mehr, sondern in gewisser Weise eine Erweiterung der Muttersprache. Englisch wird von allen Akademikern auf einem guten Niveau erwartet. B1/B2 ist die Minimalvoraussetzung – sonst sinkt man unter die Seriositätsschwelle, mit der man im Beruf souverän auftreten und die Interessen des Arbeitgebers vertreten kann. Besser ist natürlich C1 des europäischen Referenzrahmens, C2 entspricht dann schon der Muttersprache. Englisch ist heute jedenfalls nicht mehr distinktiv für eine Bewerbung – für einen Wettbewerbsvorteil ist mindestens eine zweite Fremdsprache unerlässlich.
Verschiedenen Stellenanzeigen-Auswertungen zufolge liegt das Spanische für viele Berufsgruppen auf Rang Drei, gleich hinter Französisch. Wozu würden Sie raten?
In den letzten fünf bis sieben Jahren ist die Wahl des Französischen innerhalb der Romanistik an den Universitäten zurückgegangen, während die Hispanistik boomt (Anmerkung der Redaktion: ähnlich ist die Entwicklung an den Schulen) – am Arbeitsmarkt aber hat das Französische eine gewisse Renaissance erfahren. Es werden zwar nicht unbedingt mehr Stellenangebote mit Französischkenntnissen ausgeschrieben, aber es hat eine Verknappung der Bewerber stattgefunden.
Außerdem muss man die Entwicklungen der Europäischen Union im Auge behalten: Französisch wird als zentrale Sprache Europas sicher eine Aufwertung erfahren, vor allem in einer EU, die sich stärker auf ihren deutsch-französischen Kern besinnt. Außerdem ist zu erwarten, dass sich Deutschland mehr in Afrika engagieren wird, und viele dieser Länder sind nach wie vor französischsprachig. Mit der beruflichen Perspektive Lateinamerika ist Spanisch natürlich weiterhin unverzichtbar.
Gleich nach den gängigen Schulsprachen Englisch, Französisch und Spanisch sind in den aktuellen Ausschreibungen vermehrt Arabischkenntnisse gefragt …
Auch am LSI hat die Nachfrage nach Arabisch in den letzten Jahren stark zugenommen. Dabei handelt es sich – neben Studierenden der Arabistik – vor allem um Berufstätige, die mit Flüchtlingen arbeiten oder in Initiativen engagiert sind und schnell eine gewisse Basiskommunikation brauchen. Die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund hat ja gerade erst begonnen, an Schulen, in der Ausbildung, im Studium und vor allem auf dem Arbeitsmarkt steht sie noch bevor.
Für Deutsche, die Arabisch lernen, gilt, dass es nicht nur um die Sprache selbst geht. Ebenso wichtig ist es, die kulturellen, sozialen und politischen Hintergründe – und auch, wenn sie sich untereinander unterhalten – verstehen und einordnen zu können. Auch für Auslandseinsätze wird die Nachfrage nach Arabisch weiter zunehmen. Diejenigen Länder, die sich jetzt noch in kriegerischen Handlungen befinden und oft zerstört sind, müssen irgendwann wieder aufgebaut werden, und da wird eine Unterstützung durch Deutschland, etwa in der Bildung oder im Umweltschutz, von Nöten sein.
Aber ist es denn überhaupt realistisch, als Erwachsener – und das auch noch neben dem Beruf – eine so ausgefallene Sprache wie Arabisch zu lernen?
Drei Tage dauert unser kleinster Intensivkurs "Einstieg für die Arbeit mit Flüchtlingen" hierzulande und auch ein erstes Survival-Training für den Einsatz vor Ort. Die regulären Kurse dauern zwei Wochen mit je 60 Unterrichtsstunden plus Nacharbeiten – damit ist man in 8 Wochen "Modern Standard Arabic" verglichen mit dem Europäischen Referenzrahmen etwa auf Niveau B1. Dann können Sie so sprechen, dass man Sie versteht. Mit dem eigenen Hörverständnis ist es natürlich schwieriger, weil im Arabischen unterschiedliche Dialekte gesprochen werden, mit denen man sich speziell beschäftigen muss.
Wie sieht es denn mit den EU-Sprachen aus?
Portugiesisch ist in Hinblick auf das wirtschaftliche Potenzial von Brasilien von Interesse, wenngleich der Hype um Portugiesisch etwas abgeflaut ist. Italienisch ist selbstverständlich in allen Sektoren der Kultur, des Kulturmanagements und des Tourismus.
Leider sinkt die Nachfrage nach Italienisch wie auch nach Türkisch. Vielleicht auch deshalb, weil es in Deutschland eine hohe Anzahl Türkischstämmiger gibt, die hier aufgewachsen und in die Schule gegangen sind und Türkisch auf einem guten Niveau sprechen. Ein ähnliches Phänomen haben wir beim Russischen: Die Kinder der Russlanddeutschen, die seit dem Beginn der 1990er Jahre nach Deutschland ausgewandert sind, sind jetzt über 30 und stehen im Berufsleben.
Sie sind täglich mit Studierenden und Berufstätigen zusammen, die die Sprachen für ihren Beruf lernen. Wie werden die Kenntnisse im Bewerbungsgespräch abgefragt?
Bewerber sollten darauf vorbereitet sein, dass manche Arbeitgeber ohne Ankündigung urplötzlich eine Frage in der Fremdsprache stellen. Diese Überrumpelungstaktik ist nicht sehr professionell seitens der Einstellenden, schließlich sprechen wir ja im Berufsleben nicht unter Schock, sondern unter normalen Bedingungen. Grundsätzlich ist die praktische Überprüfung von Fremdsprachenkenntnissen aber ein normaler Bestandteil des Bewerbungsgesprächs. Stellt man sich bei ausländischen Vorgesetzten vor, so spielen sicherlich auch die interkulturellen Elemente, wie der Umgang mit dem (potenziellen) Vorgesetzten und das Verhalten als Untergebener, eine entscheidende Rolle.
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