SPEZIAL: Frühlingsfeste weltweit


Arabischer Raum: Nouruz – ein neuer Tag beginnt!

Das altiranische Neujahrs- und Frühlingsfest, das in der arabischen Welt vor allem von den in Syrien, Irak und Libanon ansässigen Kurden gefeiert wird, beginnt am frühen Morgen. Die Frauen tragen eine traditionelle kurdische Tracht – meist in den Farben der kurdischen Flagge: Grün, Rot, Gelb und Weiß. Familien treffen sich in der Nähe von Flüssen und anderen Wasserquellen. Es wird getanzt und musiziert. Man tauscht Glückwünsche aus und isst zusammen. Es ist Nouruz. Vor allem im iranischen Kulturraum wird in der Regel am 21. März Nouruz نوروز „Der neue Tag“ gefeiert. Schon Wochen vorher werden die Häuser und Wohnungen neujahrstauglich gemacht und vom Schmutz des alten Jahres befreit. Frühjahrsputz ist Pflicht. Sogar Hauswände werden neu gestrichen und die Teppiche gereinigt. Wichtige Bestandteile des Festes sind das aus sieben Früchten bestehende Neujahrsgetränk "Haft Mewa" und das "Haft Sin" (sieben Lebensmittel, deren Namen mit dem Buchstaben sin beginnen).
Die meisten Kurden in den arabischen Ländern zelebrieren das Frühlingsfest im Freien beim Grillen. Auch wenn dies– wie in Syrien – verboten war und man Repressalien des Geheimdienstes fürchten musste, fand man immer wieder Wege, dieses Fest doch zu feiern. Und nun zur Legende mit den Schlangen: Dem König al-Dhahhak seien zwei Schlangen aus den Schultern gewachsen. Als Medizin gegen die unansehnlichen Auswüchse habe er auf Rat seines Heilers jeden Tag das Hirn von zwei junger Menschen gegessen. Dem Schmied Kawa, der auch auf seiner Speisekarte stand, gelang mit Hilfe seiner Gefährten die Flucht. Er rächte sich erfolgreich am König und feierte seine Flucht mit einem großen Feuer auf einem Berg. Seitdem zelebrieren die Kurden am 20. März mit einem großen Feuer ihre wiedererlangte Freiheit.  

 كُلّ عام وأنتُم بِخَيْر
(Wörtliche Übersetzung: Möget Ihr es jedes Jahr im Guten erleben)

 

Japan: Für die teure Angebetete

Eigentlich ist die japanische Zierkirsche unspektakulär. Wer aber Japan einmal in diese Blütenpracht gehüllt erlebt hat, wird verstehen, warum Japaner fast liebevoll von der „Kirschblüte“ (Sakura no hana) wie von einer teuren Angebeteten sprechen. Hanami (jap. 花見, „Blüten betrachten“, höflich auch O-hanami) ist die seit der Nara-Zeit (710–794) bestehende Tradition, die Schönheit der blühenden Kirschbäume und den Frühlingsanfang zu feiern. Gespannt verfolgt die ganze Nation die täglichen Prognosen des Wetterdienstes, wann und in welcher Region die Kirschbäume in Blüte stehen. Während ihrer fast zweimonatigen Süd-Nord-Wanderung zwischen Ende März und Mitte Mai bestimmen die Kirschblüten das Bild Japans, doch die weißrosa Pracht verweilt an jedem Ort – je nach Wetter – nur etwa zehn Tage. Sobald die Bäume blühen, treffen sich Japaner mit Verwandten und Freunden in den Parks und Tempelgärten unter den Bäumen auf blauen Plastikplanen oder bunten Decken zu feucht-fröhlichen Picknicks. Hardcore Hanami-Fans bringen sogar eine Karaoke-Anlage mit.
Bei Arbeitskollegen und Studenten ist das abendliche Hanami nach Feierabend sehr beliebt. Manche Firmen schicken bereits vormittags den jüngsten Angestellten in den Park, um einen Platz für die später nachkommenden Kollegen zu reservieren. In einigen Parks werden die Kirschbäume abends angestrahlt (Yozakura 夜桜), wodurch ein bezaubernder Effekt durch den Kontrast der blassrosa Blüten gegen den nachtschwarzen Himmel entsteht. Sollten Sie das Glück haben, dieses Spektakel einmal miterleben zu können – es werden von diversen Reiseanbietern zu Hanami extra Reisen nach Japan angeboten – verhalten Sie sich einfach wie die Japaner: Ziehen Sie vor dem Betreten der Bodenplanen die Schuhe aus. Klären Sie vorab, ob Sie Speisen und Getränke beisteuern sollen oder beteiligen Sie sich gegebenenfalls an den Kosten. Das Aufräumen vor dem Verlassen des Picknickplatzes ist ein absolutes Muss. Bei schlechtem Wetter kommt es sogar vor, dass einige Firmen Indoor-Hanami veranstalten. Dazu werden an den Wänden des Konferenzsaals Farbkopien von blühenden Kirschbäumen aufgehängt und auf dem Boden die blauen Planen ausgebreitet. Danach wird ausgelassen geschlemmt und gezecht wie draußen.

Tipp: Schauen Sie sich doch mal den Spielfilm „Kirschblüten – Hanami“ (2008) von Doris Dörrie an, in dem das farbenfrohe Fest in einigen Szenen zu sehen ist.

 

Russland: Die fünfte Jahreszeit in Moskau

Wenn sich der kalte Winter langsam dem Ende nähert, bereitet sich Russland auf das Masleniza-Fest vor. Das sog. Butterfest ist ein traditionelles Fest, mit dem die Russen den Frühlingsbeginn feiern. In der Butterwoche ähnelt das Stadtzentrum Moskaus einer Karneval-Metropole. Straßen werden für das große Spektakel gesperrt, auf Festplätzen werden Buden aufgebaut, in denen Tee und Pfannkuchen sowie allerlei volkstümliches Handwerk verkauft wird. Live-Konzerte sorgen für die musikalische Unterhaltung. Wer aber glaubt, die Russen würden während der Butterwoche nur Pfannkuchen essen und in den Stadtzentren ausgelassen feiern, irrt sich. Hinter dem bunten Volksfest steckt eine Jahrhunderte alte Tradition, die bis in die heidnische Kultur der Slawen zurückreicht. Nach der Christianisierung Russlands im zehnten Jahrhundert blieb die Tradition bestehen: Mit gehaltvollem Essen und Trinken wappnen sich die Russen in der Butterwoche für die anstehende 7-wöchige „Große Fastenzeit“ (russisch: “Великий пост“). Bliny sind die russische Version von Pfannkuchen und dürfen während der Masleniza-Woche nicht fehlen. Die süßen oder herzhaften Teigfladen symbolisieren mit ihrer runden Form die Sonne, die immer früher aufgeht und damit den Frühling bringt. Jede gute Hausfrau hat ein eigenes Rezept für „ihre“ Bliny, oft werden die Rezepte über Generationen weitergegeben. Gute, dünne und leckere Bliny zu machen ist eine Kunst für sich. Nicht umsonst lautet ein altes russisches Sprichwort: „Der erste Blin ist ein Klumpen“ („Первый блин – комом“). Diese Redewendung entspricht in etwa dem deutschen Ausdruck „Aller Anfang ist schwer“.
Der Name „Masleniza“ geht zurück auf das russische Wort für Butter, "maslo" (масло). In der Woche vor der Fastenzeit ist Fleisch bereits untersagt, nicht aber Milch, Butter und Eier. Daher sind Bliny (блины - Pfannkuchen) das traditionelle Masleniza-Essen. Masleniza ist der Name einer Figur aus der slawischen Mythologie, die Winter und Tod verkörpert. Eine Strohpuppe, die ebenfalls als Masleniza  bezeichnet wird, wird daher am Ende des Festes verbrannt, um den Winter symbolisch hinter sich zu lassen. Прости меня! – Бог простит! И ты меня прости! (Wortwörtliche. Übersetzung: „Vergib mir! – Gott vergibt! Und vergib Du mir!“) Am letzten Tag der Masleniza-Woche, dem sogenannten „Sonntag der Vergebung“ („Прощёное воскресенье“) sagt man sich diese Redewendung.

 

China: Bunt in den Showmarathon

In den Läden brummt kurz vor dem chinesischen Frühlingsfest Chūnjié das Geschäft: Reis, Weizenmehl, Fisch, Fleisch, Geflügel, Obst, Bonbons und Melonenkerne, aber auch neue Kleidung für die Kinder sowie Ge­schenke für Familienangehörige, Verwandte und Freunde finden reißenden Absatz. Was auch nicht fehlen darf: bunt dekorierte Häuser. Mit dem Chūnjié-Fest begrüßen die Chinesen eigentlich das neue Jahr. Den Namen „Frühlingsfest“ hat man sich offiziell ausgedacht, als man den westlichen Kalender (und damit den 1. Januar als Neujahrstag) einführte.
Das dreiwöchige Chūnjié-Fest endet am 15. Tag des ersten Monats nach dem Mondkalender mit dem Laternenfest (Yuánxiāo jié元宵节) mit Reisknödeln, Laternen und Rät­selraten. Der Frühling und das neue Jahr werden mit einem üppigen Essen begrüßt, dem tuányuán fàn团圆饭 = "Essen im ganzen Familienkreis". In Nordchina werden vor allem Maultaschen (Jiǎozi 饺子) serviert, weil sie den Goldbarren ähneln, die in China  Jahrhunderte lang als Zahlungsmittel benutzt wurden. In Südchina werden  Neujahrsküchlein (niángāo年糕 ) aus klebrigen Reis bevorzugt, dessen Wortklang an ein bes­se­res Leben oder eine große Karriere (niánnián gāoshēng年 年高升 ) erinnert. Nicht wegzudenken ist der traditionell servierte Fisch. Ein Rest des Fisches wird immer auf dem Teller gelassen, um im wahrsten Sinne des Wortes den Wohlstand nicht vollständig aufzuessen. Das chinesische Wort für „Fisch" klingt nämlich wie "Wohl­stand" bzw. "Überfluss".
Begleitet wird das Festessen durch den vierstündigen Showmarathon chūnjié liánhuān wǎnhuì 春节联欢晚会 (kurz: chūnwǎn春 晚, der landesweit auf CCTV 4 ausgestrahlt wird und in China einen echten Kultstatus genießt. Am 1. Tag des neuen Jahres besuchen sich Nachbarn, Freunde, Verwandte, Kommilitonen und Kollegen (bàinián拜年 ). Kinder freuen sich vor allem über die „Hóngbāo“ (hóngbāo红包 ). Die mit Geld gefüllten roten Briefumschläge sollen Unglück abwehren. Xīnnián kuàilè 新年快乐 ! Viel Freude im Neuen Jahr!  (Wortwörtlich: Fröhlich(keit) / Vergnügt(heit) im Neuen Jahr)

Foto: Bertil Videt (Wikimedia Commons)