Die Kunst des Schenkens

Japan: Hauptsache schön

Im Hochsommer (ochugen) und zum Jahresende (oseibo) bricht in Japan ein regelrechter Geschenke-Hype aus. Jeder Einzelne, aber auch ganze Firmen schenken, um Dankbarkeit zu zeigen. Niemand darf dabei vergessen werden – egal, ob es sich um einen Lehrer, einen guten Kunden oder einen nahen Arbeitskollegen handelt. Jedes Geschenk wird in Japan mit großem Bedacht ausgewählt. Dabei gilt es, essenzielle Kriterien zu beachten: Verschenkt man beispielsweise Gemüse oder Obst, sollte es schön glänzen, denn das Aussehen ist wichtiger als der Geschmack.
Ein Geschenk sollte nützlich sein und darf weder zu persönlich noch zu originell sein. Es sollte auf keinen Fall so aussehen, als wisse man zu viel über den Empfänger, aber auch der Schenkende darf mit dem Geschenk nicht zu viel von seiner eigenen Persönlichkeit preisgeben. Seifen, Handtücher, Tee, Kekse, Öl, frische Meeresfrüchte und Spirituosen eignen sich daher hervorragend als Präsent. Tabu sind beispielsweise weiße Taschentücher oder weiße Blumen (beide weisen auf Trauer bzw. Beerdigung hin). Außerdem sind Geschenke zu vermeiden, die aus vier Stücken bestehen, denn das Wort vier (shi四) ist gleichlautend mit dem Wort für Tod (shi 死). Ebenso unangebracht sind Scheren und Messer sowie Gegenstände, die das kaiserliche Wappen enthalten, Abbildungen mit Füchsen (Hinterhältigkeit) oder gelbe Taschentücher, welche auf Verrat hinweisen.
Geld unverpackt zu schenken, gilt als plump. Deshalb gibt es in Schreibwarengeschäften spezielle Kuverts für Geldpräsente. Die Verpackung von Geschenken ist mindestens genauso wichtig wie der Inhalt. Aufgrund dieses ästhetischen Prinzips haben die Japaner die Kunst des Verpackens auf einem hohen Niveau entwickelt, z.B. mit furoshiki. Furoshiki sind quadratische Tücher, die in Japan das Geschenkpapier ersetzen. Das Geschenk wird in ein furoshiki gewickelt und mit einer speziellen Technik verknotet. Dabei gibt es vier Basis-Knotentechniken, denen sich ein Schenkender bedienen kann.
Überreichen Sie das Geschenk in Japan übrigens stets mit beiden Händen. Sind Sie wiederum der Beschenkte, gibt es ebenfalls einiges zu beachten. Die Tradition verbietet das Öffnen des Geschenkes im Beisein des Schenkenden, denn eine falsche Mimik kann zum Gesichtsverlust des Schenkenden führen. Ebenso unmöglich ist es ein Geschenk abzulehnen – auch wenn man allergisch auf das Obst ist oder man partout keine Garnelen mag. Und vergessen Sie nicht, sich bei der nächsten Gelegenheit für das Geschenk zu bedanken.

Arabische Welt: Vieles kann, nichts muss

In der arabischen Welt teilt man gerne was man hat. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie im arabischen Raum jemandem ein Kompliment für einen schönen Gegenstand in der Wohnung machen und Sie diesen spontan geschenkt bekommen. Bedanken Sie sich in diesem Fall lediglich freundlich (ohne es mitzunehmen) oder betonen, dass der Gegenstand doch viel besser zu seinem Besitzer passe. Mitbringsel sind in der arabischen Welt nicht traditionell vorgeschrieben. Zu besonderen Anlässen empfiehlt es sich allerdings, exklusive Süßigkeiten für die Erwachsenen und Spielzeug für die Kinder mitzubringen. Absolut inakzeptabel sind Geschenke, die gegen die Regeln des Islam verstoßen. Bringen Sie also nie eine Flasche Wein oder ein anderes alkoholisches Getränk mit.
Blumen für die Gastgeberin sind eher eine relativ neue Erscheinung in der arabischen Welt und sind vor allem in westlich orientierten Kreisen üblich.  Eine weitverbreitete Sitte ist es, einem Reisenden bei seiner Verabschiedung ein Geschenk zu überreichen, als eine Art Glücksbringer oder zum Andenken. Wiederum bringt der Reisende bei seiner Rückkehr allen Verwandten und Freunden ein Geschenk mit. Das kann unter Umständen das Urlaubsbudget zusätzlich in die Höhe treiben.
Übrigens: Die Feiertage sind in der arabischen Welt eine gute Gelegenheit, Geschäftskontakte zu pflegen, indem man zum Fest gratuliert und sich so wieder einmal in Erinnerung bringt. Der übliche Glückwunsch für alle sich im Jahreslauf  wiederholenden Feste Fastenbrechen, Opferfest, Geburtstag) lautet:
Möget Ihr dieses Fest jedes Jahr im Guten erleben
kull aam wa-antum bi-khair    

كُلّ عام وأنتُم بِخَيْر


Russland: Auch die Farbe ist entscheidend

Der wichtigste Tag im Jahr, an dem sich Verwandte und Freunde etwas schenken, ist nicht etwa Weihnachten, sondern traditionell der Neujahrstag. Die Geschenke bringt am 31. Dezember „Väterchen Frost“ (Дед Мороз – Ded Moroz) zusammen mit seiner Enkelin Snegurotschka (Снегурочка – „Schneemädchen“). Das Schenken beschränkt sich allerdings nicht nur auf Feiertage. In Russland sind z.B. Gastgeschenke unverzichtbar. Wenn Sie also von Russen nach Hause eingeladen werden, denken Sie daran, ein kleines Präsent für die Gastgeber mitzubringen. Für die Gastgeberin eignen sich Pralinen oder, wenn es eine Einladung zum Geburtstag ist, ein Blumenstrauß. Der Gastgeber freut sich bestimmt über eine Flasche Wein. Und vergessen Sie nicht, den Kindern auch eine Kleinigkeit mitzubringen.
Für den Fall, dass Sie Blumen verschenken - Überreichen Sie unbedingt eine ungerade Anzahl von Blumen. Eine gerade Anzahl ist nämlich bei Beerdigungen üblich. Auch die Farbe der Blumen ist entscheidend. Wählen Sie keine gelben Blumen, da sie das Ende einer Beziehung bedeuten. Generell schenkt man keine spitzen Gegenstände wie Messer, Schere, Korkenzieher, Kakteen u.ä., weil sie Streit und Feindschaft bringen. Übrigens: Wundern Sie sich nicht, wenn Ihr Geschenk nicht gleich ausgepackt wird und die Beschenkten sich nicht ausdrücklich bedanken. Das ist in Russland nicht üblich.
Einen Feiertag, den die Männer auf keinen Fall vergessen sollten, ist der internationale Frauentag (8. März). An diesem Tag schenken die Männer nicht nur ihren Ehefrauen eine Kleinigkeit. Auch Arbeitskolleginnen dürfen sich über Aufmerksamkeiten freuen. Für alle Frauen gilt: Am Tag der Vaterlandsverteidiger (23. Februar) werden keineswegs nur Soldaten und Veteranen mit kleinen Geschenken überrascht, sondern auch die Ehemänner, Arbeitskollegen und Freunde.

China: Rote Bombe zur Hochzeit

Schenkungsrituale in China haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Während man früher Blumengebinde am häufigsten bei Ge­schäfts­eröffnungen oder aber im Kontext einer Beerdigung sah, werden Blumen in China mittlerweile auch häufig zu anderen Anlässen verschenkt. In jeder weltoffenen chine­sischen Me­tro­pole gibt es heutzutage unzählige Blumenläden, die eine ständig wachsende chinesische Kundschaft bedienen. Damit die chinesischen Kunden zu dem jeweiligen Anlass auch die passenden Blumen auswählen, sind alle Blumengeschäfte mit einer Liste ausgestattet, die die west­liche Blumen­sym­bo­lik erläutert. Auf Hochzeiten ist es nach wie vor nicht üblich, dem jungen Brautpaar praktische Gegenstände zu schenken. Für China typisch waren und sind die mit Bargeld gefüllten Briefumschläge. Wie prall der Umschlag befüllt wird, hängt vom Einkommen des Schenkenden ab. Deshalb bezeichnen die Chinesen die Einladung zu einer Hochzeit auch scherzhaft als ‘rote Bom­be’ (hóng­sè zhà­dàn). Wenn man nämlich kurz nacheinander viele Hochzeitseinladungen bekäme, wäre man regelrecht pleite. Tatsächlich ist das Über­reichen eines Um­schlags mit einem Geldgeschenk nicht ungewöhnlich und gesellschaftlich ebenso akzep­tiert wie das Ver­schenken teurer Prestige­objekte (teure Spirituosen oder andere Luxusgüter).
Andererseits kommt es auch in China vor allem auf die gute Absicht an. Und selbst­ver­ständ­lich ist nicht jeder­manns Geldbörse so gut gefüllt, dass stets teure Geschenke über­reicht wer­den könnten. Ein kleiner Tipp: Umgehen Sie bei einer Hochzeitsfeier die mit negativen Asso­zia­tio­nen besetzte Zahl 4, indem Sie beispielsweise nicht 400,- Yuan, sondern besser gleich 500,- Yuan in den Briefumschlag legen...

Foto: A. Meiers (LSI)