In China spricht man chinesisch. Das klingt plausibel. Fakt ist aber, dass es neben der chinesischen Hochsprache ca. 300 weitere chinesische Dialekte gibt. Da kann es schon mal passieren, dass ein Chinese aus Peking enorme Schwierigkeiten hat, einen Landsmann aus Guangzhou zu verstehen. Zum Vergleich: In Deutschland unterscheidet man lediglich 28 Mundarten.
Neben dem Hochchinesischen gibt es in CHINA sieben "Regionalsprachen", die sich wiederum in ca. 300 Dialektgruppen unterteilen lassen. Die Regionalsprachen haben eigene Laute und Töne und manchmal auch besondere Ausdrücke, die es im Hochchinesischen nicht gibt – daher könnte man sie fast schon als eigene Sprachen bezeichnen. Das Einzige, was die Regionalsprachen und Dialektgruppen miteinander verbindet, ist die jahrtausendealte Schrift. Die ist nämlich für alle einheitlich – nur wird sie eben je nach Regionalsprache und Dialekt unterschiedlich gelesen und ausgesprochen. So wird aus der hochchinesischen Grußformel „Nǐ hǎo“ im Shanghai Dialekt "Nong hao". Auf Kantonesisch würde man dagegen "Lei hou" sagen. Schreiben würden aber alle 你好 .
Dagegen sind in RUSSLAND Dialekte fast ausgestorben. Grob unterscheidet man im europäischen Teil Russlands sprachlich drei Gebiete: die nord-, mittel- und südrussischen Dialekte. Aus den mittelrussischen Dialekten hat sich die Standardsprache entwickelt. Bezeichnend für die Standard- oder Literatursprache ist das Aussprachephänomen „Akanje“ (russ.: aканье). Konkret bedeutet das, dass das unbetonte „o“ wie ein schwach gelautetes „a“ ausgesprochen wird. молоко́ (Milch) wird wie ungefähr „malako“ ausgesprochen. Im Norden dagegen wird der Buchstabe „o“ tatsächlich wie ein "o" ausgesprochen – auch in unbetonten Silben (Okanje, russisch: оканье): „molokó“. Man ist auf diese regionale Besonderheit durchaus stolz. In einem Park im nordrussischen Vologda steht sogar ein o-förmiges Denkmal, das an die sprachliche Besonderheit erinnern soll. Dagegen weisen südrussische Dialekte einige Aussprachemerkmale des Ukrainischen auf. So wird zum Beispiel das „g“ nicht als „g“ gesprochen, sondern eher wie das deutsche „h“. Einer der bekanntesten Sprecher mit südrussischem Akzent ist der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow.
In JAPAN werden grob drei Dialektgebiete unterschieden: die ost- und westjapanischen Dialekte sowie die Dialekte der südlichen Insel Kyūshū. Während die Standardsprache gemeinhin als korrekt, höflich und formal empfunden wird, gelten Dialekte eher als warm, weich und familiär – eben die Sprache der einfachen Leute. Bis in die 1970er Jahre waren Dialektsprecher Ziel von Spott und Verachtung. Aufgrund dieser Abwertung ist die Zahl der Dialektsprecher in dieser Zeit stark zurückgegangen. Erst seit den 1980er Jahren wird im Japanischunterricht in Schulen ein Nebeneinander von Dialekt und Standardsprache anerkannt – von einer aktiven Förderung der Dialekte kann jedoch keine Rede sein. Innerhalb der regionalen Varietäten nimmt der Kansai-Dialekt, der in der Region um Ōsaka und Kyōto gesprochen wird, eine Sonderstellung ein und wird oft als Gegenpol zur Tōkyō-Standardsprache gesehen. Während „Willkommen“ in der Standardsprache いらっしゃいませ heißt, hört man bei der Begrüßung von Kunden in Kyoto auch おいでやす. Traditionelle komische Unterhaltungsshows wie Manzai oder das Ein-Mann-Kabarett Rakugo sind in Ōsaka beheimatet. Viele Stars der Unterhaltungsbranche kommen aus Ōsaka. Der Ōsaka-Dialekt wird als lebendig, lustig, direkt bis derb empfunden. Dieses Image nutzen zum Beispiel Mangaautoren, so genannte Mangaka, gezielt, um Persönlichkeitszüge von Figuren feiner herauszuarbeiten. So wird eine Figur, die Kansai spricht, als locker, unbekümmert, manchmal auch heimtückisch wahrgenommen. Manchmal kommt es sogar vor, dass in Animes „nicht-muttersprachliche“ Sprecher versuchen, den Kansai-Dialekt zu imitieren. Diesen Fake-Dialekt nennt man nise- oder ese-kansai (gefälschter bzw. Pseudo-Kansai-Dialekt).
ARABISCH ist zwar offizielle Nationalsprache in allen 22 Ländern der Arabischen Liga, doch benutzt man Standardarabisch vor allem in formellen Kontexten und den Medien. Im Alltagsleben werden lokale Dialekte gesprochen, die sich sowohl von ihrer Lexik als auch von ihrer Struktur von der Standardsprache unterscheiden. Haben die Dialekte des Maghreb den Ruf, nur schwer zu verstehen zu sein, verstehen fast alle den ägyptischen Dialekt oder die Dialekte der Levante, weil sie aus zahlreiche Filmen, Fernsehserien und Liedern bekannt sind. Gerade was Gegenstände des alltäglichen Lebens angeht, existieren sehr unterschiedliche Bezeichnungen oder manchmal sogar unterschiedliche Bedeutungen für das gleiche Wort. Dass khukh (خوخ) im levantinischen Dialekt die Pflaume bezeichnet, in anderen Ländern aber den Pfirsich meint, ist noch nachzuvollziehen. Warum aber der barrad (برّاد) in einigen Ländern den Kühlschrank bezeichnet und in anderen die Teekanne, ist schon schwieriger zu begreifen. Treffen sich Muttersprachlerinnen und Muttersprachler aus verschiedenen arabischen Ländern, sind diese Unterschiede häufig Thema für Gespräche und Scherze. Es ist ja auch wirklich ein Unterschied, ob man jemandem Segen (عافية) wünscht in seiner Arbeit oder – wie im Maghreb – damit Feuer meint.
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Über den Autor: Der Psychologe David Tripolina hat bereits mehrere Bücher verfasst. Als Autor, Bürger des Melting Pots New York und Kosmopolit setzt er sich tagtäglich mit verschiedenen Sprachen auseinander und ist von der Einzigartigkeit mancher Worte fasziniert.